Analyse XContest 2021

Regen und Gewitter dominierten den Sommer. Glücklicherweise retteten Frühling und Herbst die Saison. Dennoch verzeichnet der XContest einen Teilnehmerrekord.

Der Sommer 2021 sei nördlich der Alpen einer der nassesten seit Messbeginn gewesen, konstatiert MeteoSchweiz im Klimabulletin Sommer 2021. Der viele Regen hatte auch Folgen auf den XContest, so fehlten die Hammerlagen im Hochsommer, während welchen in den letzten Jahren FAI-Dreiecke bis über 300 km geflogen wurden. So fielen auch die Entscheidungen im Ranking vorwiegend während den Spitzentagen im Frühling. Doch solche Sommer sind keine Seltenheit. 2017 zum Beispiel verlief die Saison ähnlich. Nichtsdestotrotz wuchs das Interesse am XContest, nahm doch die Anzahl Tage mit Tagessummen über 5'000 km gegenüber 2019 – infolge des Lockdowns im Frühling 2020 ist der Vergleich mit 2019 aussagekräftiger – von 39 auf 52 Tage zu. Die Anzahl Flugtage ist mit 287 weitgehend gleich geblieben. 34 Pilotinnen und 330 Piloten nahmen erstmals am Wettbewerb teil, damit stieg die Zahl der Teilnehmenden auf 131 Pilotinnen und 1'895 Piloten. Gegenüber 2019 kletterte die Zahl der gültigen Flüge um 34% auf total 21'435 Flüge. Erfreulich ist die Beteiligung der Frauen. Diese nahm überproportional um 47% auf 1'337 Flüge zu. Die Gesamtsumme der geflogenen Strecken wuchs auf 893'021 km, wozu die Pilotinnen 52'624 km beisteuerten. Damit überboten sie den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2018 um 11%. 98 Piloten und 3 Pilotinnen flogen an 33 Tagen 180 Flüge weiter als 200 km, das sind 66 Flüge weniger als im Sommer 2019 (246), was die ungünstigen Verhältnisse widerspiegelt. Weiter als 300 km flogen zwei Starrflügler-Piloten und ein RW2-Pilot.

50 Fliegerinnen und 634 Fliegern glückte ein persönlicher Rekord (weitester im XContest registrierter Flug), darunter flogen 5 Pilotinnen und 67 Piloten erstmals weiter als 100 km, zwei Pilotinnen und 19 Piloten erstmals weiter als 200 km.

Regionen

Der frequentierteste Startplatz in der Schweiz war dieses Jahr wieder der Weissenstein. Letztes Jahr hatte er aufgrund des Lockdowns im Frühling den Spitzenplatz eingebüsst. Mit 1'395 Starts übertraf er Fiesch mit 1'389 Starts knapp. Weiter folgen Brunni mit 800 Starts, Fanas mit 675 Starts und Amisbühl mit 624 Starts. Die besten Bedingungen für Streckenflüge bot Fiesch, von wo 98'751 km geflogen wurden, dicht gefolgt vom Weissenstein mit 79'771 km. 39 Startplätze waren Ausgangspunkt zu 200 km Flügen. Vielleicht sei hier noch der Bisenstartplatz Balderen erwähnt, welcher durch die neu geplante Abflugvariante des Flughafens Zürich bedroht ist. Mit 236 registrierten Starts, 6'244 km geflogener Strecke und einer maximalen Strecke von 217 km ein äusserst beliebter Ausgangspunkt für Mittellandflüge oder Soarings über den Dächern von Zürich. Wäre doch schade, wenn dieser geschlossen werden müsste.

Die Erkenntnis, dass das Mittelland nicht nur bei Bisenlagen gute Flugbedingungen bieten kann, keimte bereits vor einigen Jahren. Die Gelegenheiten zu einer Querung sind nicht so selten, wie man vermuten würde, gelangen doch 50 Pilotinnen und Piloten an 17 Tagen ein Flug vom Jura bis in die Voralpen. Spitzentag war der 9. Juli mit 18 Querungen. Yves Leu glückte gar ein 205 km grosses FAI-Dreieck vom Weissenstein aus. Umgekehrt erfolgten auch aus den Alpen zahlreiche Vorstösse ins Mittelland, wobei etwa 5 den Jura erreichten. Erwähnenswert ist der Flug von Fabrice Thiebaud, welcher am 20. April vom Niesen 155 km bis in die Nähe von Neuenburg flog und dabei das westliche Mittelland querte.

Dass sich ein Besuch in unserem nördlichen Nachbarland lohnen kann, das bewies Beat Ritzmann am 16. Juni. Vom nahe der Schweiz gelegenen Startplatz Hochblauen genoss er über dem Schwarzwald ein 180 km grosses FAI-Dreieck.

Ausdauer

Martina Hauri war mit Abstand die aktivste Pilotin: Während 249 Stunden 55 Minuten legte sie in 38 Flügen 4'479 km zurück. An zweiter Stelle folgt Stephanie Westerhuis, sie flog während 120 Stunden 8 Minuten in 38 Flügen 2'302 km weit. Bei den Herren lag bezüglich Flugzeit und Strecke Christian Erne vorne, in 104 Flügen legte er 7'755 km zurück, wozu er 387 Stunden und 23 Minuten durch die Luft segelte. Die grösste Anzahl Starts geht auf das Konto von Hanspeter Haddenbruch, dem langjährigen Spitzenreiter in dieser Disziplin, registrierte er doch 115 Flüge und war 203 Stunden 39 Minuten in der Luft. Flüge kürzer als 10 km wurden nicht gezählt.

16 Flüge dauerten länger als 10 Stunden. Den Rekord bezüglich Flugzeit holte sich Sebastian Benz mit seinem Siegesflug am 12. Juni: 11 Stunden 27 Minuten war er in der Luft. Den längsten Damenflug realisierte Gabriela Jacober-Wüest mit 10 Stunden 17 Minuten, sie flog am 1. Juni ein Fanaser FAI-Dreieck von knapp 200 km Grösse. Zahlreiche Landeplatz-Besichtigungen hätten sie viel Zeit gekostet, schrieb sie im Kommentar zum Flug. Total flogen die Pilotinnen 3'246 Stunden und die Piloten 49'581 Stunden. Im Mittel dauerte ein Flug 2 Stunden 28 Minuten und durchschnittlich war jede Pilotin und jeder Pilot 27 Stunden 44 Minuten in der Luft.

Geschwindigkeit

Schon die Saison 2019 zählte nicht zu den Besten, doch 2021 war noch schlechter. Dies belegt die mittlere Geschwindigkeit, welche um 0.28 km/h auf 17.71 km/h abnahm. Vermutlich führte Zeus eine Sanierung der Flugrouten durch und eröffnete zahlreiche Baustellen. Yael Margelisch konnte ihren Titel als schnellste Pilotin erfolgreich verteidigen: Mit 31.71 km/h flog sie am 25. April vom Niesen ein flaches, 222 km grosses Dreieck den Voralpen entlang. Am gleichen Tag eroberte sich Silas Mathis bei den Herren den Geschwindigkeitsrekord. Mit 35.58 km/h jettete er 151 km von Amisbühl bis ins Prättigau. Frank Balsiger holte sich mit 32.91 km/h den Fun & Safety Geschwindigkeitsrekord. Am 17. April flog er von der Riederalp das Goms hinauf und wieder hinunter bis nach Sierre. Mit 103 km kam er noch knapp in diese Auswertung, denn um Streckenflüge von Gleitflügen zu unterscheiden, wird eine minimale Weite von 100 km verwendet. Schnellster bei den Starrflüglern war Beat Sägesser. Am 20. April flog er im Tessin mit 43.84 km/h ein 257 km grosses, flaches Dreieck. Bei den Deltisten flog Francis Gafner mit einer Geschwindigkeit von 33.29 km/h erneut seiner Konkurenz davon, am 24. April folgte er ein flaches Dreieck bildend 228 km der Jurakrete. In einer anderen Liga ist Archaeopteryx-Pilot Roger Ruppert unterwegs, am 1. April bretterte mit 51.04 km/h ebenfalls der Jurakette 357 km entlang.

Winter

Während den 151 Tagen in den Wintermonaten, also vom Start des XContest am 1. Oktober 2020 bis Ende Februar, waren an 98 Tagen Flüge möglich. 28 Flüge waren sogar weiter als 100 km. Besonders Ende Februar trieb die Sonne auf der Alpennordseite die Temperaturen auf Rekordhöhe und lockte damit die Tuchvögel aus den Nestern. Allein vom 24. bis zum 28. Februar summierten sich 614 Flüge auf 21'359 km Strecke. Erste Frühlingsleckereien boten am 6. März das Wallis mit 1'112 km und am 7. März Graubünden mit 1'452 km, sowie das Tessin mit 1'128 km. Schliesslich offerierte am 10. März der Jura 3'425 km. Allerdings liess sich der Winter dieses Treiben nicht bieten und bedeckte die keimende Flugfreude mit Schnee.

Frühling

Ab dem 22. März übernahm das Atlantikhoch auf dem europäischen Kontinent mehr und mehr das Zepter. Am 25. März gelangen im Tessin bereits respektable Flüge. Abweichend zum Mainstream überquerte Christian Erne den verschneiten Alpenkamm und flog 155 km ins Toggenburg. Da die Kaffees im Tessin geschlossen gewesen seien, sei er zum Christoph nach Neu-St.Johann gegangen, schrieb er im Kommentar. Nach einem kurzen Rückschlag in Form einer Kaltfront steigerte sich das Atlantikhoch am 1. April zur ersten Superlative. Wer freinehmen konnte, schwang sich in die Lüfte und genoss den Frühling: 538 Flüge summierten sich auf 40'539 km. Tagessieger war Jörg Bonderer mit einem 207 km grossen, Fanaser FAI-Dreieck.

Eine kräftige Bise verlieh dem weiteren Wettergeschehen ein frostiges Gesicht. Als die Bise am 20. April nachliess, schwangen sich viele Thermikvögel von den steigenden Temperaturen angelockt in die Luft: 261 Flüge ergaben 18'924 km. Der weiteste Flug gelang Marcel Schmid im Tessin, ein 242 km grosses FAI-Dreieck. Auch Sebastian Benz holte mit einem abgewandelten Fanaser FAI-Dreieck von 240 km Grösse wichtige Punkte. Martina Hauri flog im Tessin ihren ersten 200er, ein 201 km grosses FAI-Dreieck.

Gigantisches Wochenende

Für den 22. April versprachen die Wetterfrösche labile Verhältnisse und aufkommende Bise. Rico Chandra nutzte die Chance und flog von der Balderen bis westlich der Salève 217 km, am Schluss kämpfte er allerdings mit der unangenehm starken Bise, wie er im Kommentar schrieb.

Am folgenden Wochenende räumte die Bise zugunsten von Sonne und milden Temperaturen den Platz. Damit entwickelte sich die beste Lage des Jahres: Vom Freitag, 23. April bis Sonntag 25. April summierten sich 1'396 Flüge auf 91'125 km, allein am Samstag kamen 43'117 km zusammen, darunter 58 200er. In den herrlichen Bedingungen glückten 8 Pilotinnen und 127 Piloten persönliche Rekorde, darunter auch Nadine Weder, welche zusammen mit 9 weiteren Piloten erstmals einen 200er flog. Am 23. brillierte Daniel Rissi mit einem Fanaser FAI-Dreieck von 248 km Grösse und Jörg Bonderer punktete in der F&S-Klasse auf gleicher Strecke mit 231 km. Am 25. realisierte Yael Margelisch den weitesten Flug des Jahres bei den Damen, sie flog vom Niesen aus ein flaches Dreieck von 222 km Grösse. Abseites vom Geschehen flog Beat Ritzmann nördlich von Schaffhausen ein 125 km grosses FAI-Dreieck, ein neuer Ob-Lucken-FAI-Rekord.

Es folgte eine Tiefdruckphase, welche am 3. Mai durch ein Zwischenhoch unterbrochen wurde. Die gute Thermik wurde rege genutzt: 303 Flüge ergaben 20'556 km Streckensumme. Trotz eher schwierigen Verhältnissen, wie sie schreibt, gelang Martina Hauri ein 195 km grosses FAI-Dreieck im Tessin und sicherte sich so bereits früh im Jahr den Sieg bei den Damen.

Hammertag

Der Mai quälte die Fliegerherzen mit fast täglichem Regen. Auf der begünstigten Alpensüdseite konnten Bruno Bohren und Beat Walker am 20. Mai einen aussergewöhnlichen Flug erleben. Von Santa Elisabetta nördlich von Turin folgten sie den südlichen Voralpen ostwärts 202 km bis knapp zum San Bernardino. Auf der Alpennordseite keimte erst gegen Ende Monat dank einem Hoch etwas Hoffnung, welche sich zunehmend steigerte. Schliesslich entpuppte sich der 1. Juni als absoluter Hammer. Es war ein Tag der Rekorde: Der weiteste Gleitschirmflug des Jahres gelang Marcel Schmid. Von Brunni aus flog er auf ungewöhnlicher Route ein flaches Dreieck über 293 km. Das grösste FAI-Dreieck in dieser Saison realisierte Roger Aeschbacher  mit 277 km vom Niesen aus. Dank einem ähnlichen, 252 km grossen FAI-Dreieck glückte Paul Neuenschwander der weiteste Flug in der Kategorie 50plus. Den weitesten F&S-Flug machte Jörg Bonderer, es war ein 240 km grosses Fanaser FAI-Dreieck. Bei den Starrflüglern reüssierte Tony Marty: Sein Fanaser FAI-Dreieck war 308 km gross. Archaeopteryx-Pilot Roger Ruppert schliesslich gelang es ausgehend von der Alp Scheidegg mit einem 410 km grossen FAI-Dreieck sowohl das Engadin wie auch das Wallis zu besuchen, es war der weiteste Flug in der Kategorie RW2.

Den Sieg in der Kategorie Delta holte sich Francis Gafner mit einem 214 km grossen flachen Dreieck im Jura. Aber auch für das allgemeine Volk bot der Tag interessante Erlebnisse, 26'442 km Flugstrecke setzten sich aus 367 Flügen zusammen. 3 Pilotinnen und 35 Piloten übertrafen ihre persönliche Bestweite. Zum Beispiel gelang Nora Oelbermann in ihrer jungen Kariere ihr erster 100er.

Gewittriger Sommer

Aber was hatte Zeus so erbost, dass er in der Folge ein Gewitter nach dem anderen schickte? Nur vereinzelt hatte er Erbarmen. So liess er am 12. Juni das Azorenhoch gewähren. Prompt nutzte Sebastian Benz die Gelegenheit und baute mit einem 271 km grossen, flachen Dreieck vom Niesen den Vorsprung im Klassement der Open-Kategorie soweit aus, dass ihm niemand mehr den Sieg streitig machen konnte.

Doch dann zürnte Zeus erneut und nachhaltig. Am 28. Juni schickte er gar das grösste Gewitter seit 2002 über die Nordschweiz, es zog vom Genfersee bis zum Bodensee und spie Hagelkörner bis zu 7 cm Durchmesser. Erst auf das letzte Julidrittel hin gab Zeus Helios etwas Raum. Am 21. Juli konnte Jörg Bonderer von der Riederalp 186 km bis nach Scuol fliegen, womit er die Kategorie F&S gewann. Beinahe hätte es ihm auch für den Sieg in der Kategorie 50plus gereicht.

Im Rennen in der Kategorie Starrflügler standen am 20. August sowohl der Führende Beat Sägesser als auch sein Verfolger Tony Marty in Fiesch am Start. Da Letzterer noch mehr "Verbesserungspotenzial" aufwies, konnte er mit einem 228 km grossen, flachen Dreieck über die Pässe hinweg die Wertung für sich entscheiden.

Versöhnlicher Ausklang

Niemand hätte geglaubt, dass im September noch so ein Tag möglich wäre: Ein umfangreiches Hoch über Schottland brachte nämlich am 2. September kräftige Thermik. 236 Flüge summierten sich auf 19'700 km. Angeführt von Dominic Rohner mit 257 km, gefolgt von Daniel Rissi mit 249 km gelangen vor allem im Wallis zahlreiche FAI-Dreiecke. Paul Neuenschwander holte sich mit einem 210 km grossen FAI-Dreieck den Sieg in der Kategorie 50plus.

Zeus hatte seinen Ärger abgelegt, gemütlich trank er am 5. September zusammen mit Helios ein Bier: 459 Genussflüge und 25'227 km.

Links:

http://www.xcontest.org/2021/switzerland/de/
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/service-und-publikationen/publikationen.subpage.html/de/data/publications/2021/9/klimabulletin-sommer-2021.html
http://www.meteoschweiz.admin.ch/home/aktuell/meteoschweiz-blog.html
https://www.srf.ch/meteo/wetterbericht/2021-06-01

 

Autor: Martin Gassner

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